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Episode
005

Emrich-Schönleber

Frank und Werner Schönleber

Folge
005

Emrich-Schönleber, Monzingen/Nahe (2/2)

Apr 3, 2021
mit
Frank und Werner Schönleber
01:20:53

Eiswein ist nicht gleich Eiswein

Willkommen zurück, zu Charakter/Böden und dem zweiten Teil unseres Ausflugs nach Monzingen an der Nahe.


Frank und Werner Schönleber haben uns in Folge 4 über den Halenberg geführt, und uns dort schon an manchem Detail aus ihrer täglichen Arbeit teilhaben lassen. Heute verraten die beiden uns mehr. Zum Beispiel: wann weiß man eigentlich, wann ein Wein wirklich groß ist bzw. wird? Was geschieht bei solch einer Flurbereinigung? Was entscheidet eigentlich, ob eine Traube in einem Großen Gewächs oder einer anderen Qualität landet?

Es geht um die Lagen Frühlingsplätzchen und Niederberg. Neben dem Riesling um Grau- und Weißburgunder. Um Eisweine und Edelsüßes im Allgemeinen. Dazu ein kleiner Einblick: was geschieht da eigentlich im Keller? Und, ach ja: das Wetter. Immer wieder dieses Wetter und das Wasser.

Aber nun, los geht’s, vom Wasser zum Wein.

Dies ist Folge 5 von Charakter/Böden, mein Name ist Torsten Schmidt, und ich freue mich, dass Sie wieder mit von der Partie sind.


Es sprechen:

WS: Werner Schönleber

FS: Frank Schönleber

TS: Torsten Schmidt

Special Guest OJ: Oliver „Dorian Concept“ Johnson




TS: Mit wieviel Jahren Abstand kann man denn wirklich belastbar was über die Güte von einem  Jahrgang sagen?


WS: Die Frage ist berechtigt und auch gar nicht so leicht zu beantworten. Also, normalerweise sagen wir, so nach sechs, sieben Jahren sollte es sich schon zeigen, und ich glaub, das reicht auch. Ich hab mal jetzt ein Beispiel: Jahrgang 2007 ist während der Lese und nach der Lese, beim Jungwein usw., recht hoch angesiedelt worden - und ich fand die Weine auch gut. Die hatten Säure, hatten guten Stoff, es war aber ein relativ, also gemessen an den Jahren drumherum, ein relativ guter Ertrag. So. Und als die ´07er mal so drei Jahre alt waren, dann habe ich gesagt, der Jahrgang hat keinen Glanz. Der hatte in der Nase schon relativ viele Reifenoten, also Richtung Firne gehend. Und hatte nicht den Körper, dass er das balanciert hätte, und die Säure hat ein bisschen spitz hinten rausgestanden. Also, ich hatte den Jahrgang quasi abgehakt, und hab gesagt, vielleicht war der Ertrag dann doch größer, als du es bei einem großen Wein zulässt.

OK, da hat sich auch in den Jahren vier und fünf nicht viel geändert, aber als sie mal so sieben alt waren, sieben, acht, dann ist der Jahrgang wieder ganz stark geworden. Und heute schnalzen wir mit der Zunge, wenn wir ein ´07er Frühlingsplätzchen, das in dem Jahrgang sicher noch einen Tick besser ist als der Halenberg, aufmachen und zeigen.

So, jetzt fahren wir da an unserem Hauptstück Halenberg vorbei, und die nächste Mulde ist auch die Grenze des Halenbergs. Das, was da rechts von der Mulde ist, gehört nicht dazu. Und wir haben ja jetzt eine neue Lage uns eintragen lassen, die Niederberg heißt. Also, der Gesamthang hier, bis zu der Gemarkungsgrenze, der Gesamthang, hat sprachgebräuchlich schon immer den Namen Niederberg. Und im Niederberg gab es dann x Katasternamen, die dann 1971 in der Weinlagenreform aufgegeben wurden, und das ist dann reduziert worden auf Halenberg, und diesen Teil Frühlingsplätzchen. Aber Frühlingsplätzchen, da fahren wir jetzt ja gleich hin, liegt auf der anderen Seite des Dorfes, das Ur-Frühlingsplätzchen mit rotem oder rötlichem Boden, den wir hier nicht haben. Und insofern lag uns dran, hier einen Namen zu haben für die Parzellen, die wir im übrigen Hangteil haben, mit dem man den besonderen Charakter hier auch nachvollziehen kann.

Weil, die Kollegen nennen das alles hier Frühlingsplätzchen, das sind auch wirklich Topweine. Nur, die Lagencharakteristik in dem Ur-Teil auf der anderen Seite ist anders, und das ist nicht befriedigend für uns. Der Niederberg ist von der Stilistik her dem Halenberg sehr nahe. Weil, bodenmäßig ist es sehr vergleichbar, hat nur nicht grad diese positiven thermischen Einflüsse. Also, das, was hier in diesem Bereich ist, bis oben hin, gehört zu gut zwei Dritteln uns. Und da sieht man ja schön das Profil von dem steilsten Stück, also das geht schon in der Mitte bis über 70%.

Eigentlich denkt man, dass es noch steiler sein müsste, weil, 45 Grad sind 100%. Und, so rein gefühlt denkt man, das ist doch ungefähr 45 Grad - ist es aber nicht.


TS: Ist ja auch immer ein Unterschied, was man grad hochschleppen muss.


WS: Ja, hochschleppen, das sollte man möglichst vermeiden. Also, wenn da was transportiert werden muss, dann bitte von oben nach unten, nicht umgekehrt.

Und diese Kuppe hier, über der Mauer, das war früher auch Weinberg, in meiner Jugendzeit, aber das ist dann im Rahmen der Flurbereinigung zur Schutzfläche gemacht worden, also, da darf nix mehr passieren.


TS: Wie hat man sich das denn bei der Flurbereinigung vorzustellen? Waren da nur Leute vom Landwirtschaftsministerium, oder war da auch welches von diesem legendären Weinwissen, was da rund um Kreuznach ja viele Jahrzehnte saß, auch mit involviert?


WS: Ministerium selber, die müssen ja nur, ich sag mal, die Zuschüsse locker machen und begutachten, ob das alles sinnhaft ist oder nicht. Das Ministerium ist direkt nicht daran beteiligt, aber das Kulturamt, das ja dem Land Rheinland-Pfalz untersteht, das hat ja normalerweise die Planungshoheit. Natürlich alles in Absprache auch mit dem Vorort-Wissen, das dann die Vorstandschaft in der sogenannten Teilnehmergemeinschaft stellt. Also, was weiß ich, nehmen wir mal an, hier in dem Frühlingsplätzchen, der Hang hier bis nach Weiler, ist Anfang ´60 in der Flurbereinigung gewesen, das war das erste. Und zu der Zeit gab es ja noch viel, viel mehr Grundstücksbesitzer als heute, da waren sicher 100 Leute beteiligt. Also, 100 Grundstücksbesitzer. Und die wählen dann einen Vorstand, und das ist das Gremium, das sich dann mit den Planern vom Kulturamt austauscht, gemeinsame Sitzungen hat, Wegeführungen, Wasserführungen… Das sieht dann so aus, dass der ganze Hang, oder die ganze Fläche, auch kartiert ist, wird kartiert in verschiedene Güteklassen, und dann heißt es z.B., ich glaub,  von Güteklasse 1-7, und dann hat ein Quadratmeter aus der Güteklasse 1, also der besten Klasse, mehr Werteinheiten als von der schlechtesten Klasse.

So. Jetzt bringt ein Winzer, was weiß ich, 100000 Werteinheiten ein. Und die will er hinterher auch wieder haben. Das gibt dafür einen Abzug, weil es vorher keine Wege- und Wasserführungen gab, je nachdem wie aufwändig, zehn Prozent, fünfzehn Prozent, für Wege- und Wasserführungen, und ansonsten kriegt er hinterher seine Werteinheiten. Und die Winzer sind normalerweise bestrebt, auch ihre Werteinheiten wieder in entsprechend gutem Gelände zu kriegen, d.h. wer vorher in Klasse 1 und 2 war, der lässt sich nicht mit der anderhalbfachen Menge in Klasse 7 abspeisen, da muss man halt immer gucken. Aber der Sinn der Flurbereinigung ist ja gewesen, Parzellengrößen von 200, 300qm… 700qm war schon viel, zu zeitgemäßen Größen zusammenzufassen. Dass man nicht alle zwanzig Meter eine Parzelle hat, sondern eine mittendrin, die die ganzen Parzellen in einer vereint.

Ja, natürlich gibt‘s da immer ein bisschen Hickhack, weil es dann immer Leute gibt, die meinen, der Nachbar hat besser abgeschnitten als man selbst. Flurbereinigung ohne Ärger geht nicht. Aber hier ist ursprünglich nur ein Pfad, also, ein Weg für ein Fuhrwerk, mittendrin gewesen, und hier unten lang ein Weg, und ganz oben übern Kamm. Und dazwischen, die ganzen Parzellen, die ja viel kleiner waren als jetzt, waren nur zu Fuß zu erreichen, so wie man das an der Mittelmosel ja in manchen Gemarkungen auch heute noch hat, ja.

Und das, was jetzt hier steht, ist in der Regel die zweite Generation nach dem Wiederaufbau. Weil, das waren noch Zeiten, da hatte man noch keine Schmalspurtraktoren, und da hat man auch mit einer Zeilenbreite von 1,30m angefangen, und damit ist heute keine Mechanisierung zu machen.

Ja, hier haben wir keine so großen Einzelblocks wie im Niederberg. Da ist das ein bisschen verteilter, und die Bodenarten wechseln hier kleinräumiger.

Da oben sieht man, dass da Querterrassen geschoben sind, das gehört größtenteils dem Weingut Schauß, und dafür ist dann nochmal eine Zweit-Flurbereinigung gemacht worden, aber der hat da noch gut zu kämpfen, bis das Stöcke werden.



WS: Wo die beiden Hänge sich auch unterscheiden, ist, dass in dem Niederberg  99,5% Riesling stehen, und hier im Frühlingsplätzchen, da haben wir auch andere Sorten. Hier in dem vorderen Teil, wo wir jetzt sind, in dem alten Herzstück, da ist es überwiegend Riesling, aber z.B. unser Weißburgunder S und Grauburgunder S, der wächst genau hier. Da haben wir uns vor zwanzig Jahren entschieden, auch Weiß- und Grauburgunder zu pflanzen. Und damals war es noch nicht grad so warm wie heute, da hat man gesagt, die Burgunder brauchen wirklich auch Top-Klima, sonst wird das nicht so toll. Und insofern haben wir dann, wenn man so will, auch Rieslinglagen dafür geopfert. Entscheidend ist, dass die Burgunder ein bisschen bessere Wasserversorgung brauchen als der Riesling. Der Riesling ist ein besserer Hungerkünstler. Und hier in dem Bereich, wo der Kollege jetzt beim Spritzen ist, da ist mehr Bodentiefe. Da haben wir nicht nach einem halben Meter schon Konglomerat. Das ändert sich sofort, wenn wir über den nächsten Weg kommen, da, wo jetzt die Terrassen sind, da kratzt der auf dem Fels rum, auf dem Konglomerat.


So. Jetzt müssen wir mal gucken, wo wir ein bisschen was vom Boden sehen. Laufen wir mal ein Stück rein. Also, auf den ersten Blick sieht das ähnlich aus wie im Halenberg. Aber es ist doch immer ein bisschen rötliche Schlämme, Bodenanteile mit dabei. Rot, Zeichen von Eisen, und Eisen ist ein starker Bindungspartner. Also die Böden hier werden schneller hart als z.B. im Halenberg. Und, wie gesagt, auch großer Unterschied innerhalb einer Parzelle. Da kann es sein, dass es an der einen Stelle richtig rot ist, also, der Boden ist hier ein bisschen braun-rötlicher, und wenn wir jetzt hundert Meter weiterkommen, wird er rot. Und ansonsten, das Steingemisch, was so obendrauf liegt, ist vergleichbar, aber der Boden ist nicht so feinstrukturiert, und hat nicht diese Lockerheit, wie wir sie da im Halenberg vorhin gesehen haben. Die Wasserversorgung ist aber hier ein bisschen besser, weil der Boden mehr Wasser speichert. Und hier die Weißburgunder, die hat‘s ganz böse erwischt mit dem Sonnenbrand. Guckst du mal von hier aus da rein… sieht nicht so schön aus. Und in der Vergangenheit war es so, dass die Burgunder das besser vertragen haben als der Riesling - und dieses Jahr ist es gerade umgekehrt.


Also, wir müssten jetzt eigentlich auch spritzen. Es ist zwar keine akute Gefahr, in dem Sinn, dass es jetzt auf die Stunde sein muss. Aber wir haben heute gesagt, wir warten noch einen Tag, morgen soll noch schönes Wetter sein. Dann ist der Boden noch ein bisschen besser abgetrocknet. Weil, das, was er jetzt macht, ist schon noch Bodenstress, das werden wir auch gleich sehen. Hier siehst du ja nur im oberen steilen Teil, wo die Schlepperräder langgelaufen sind. Aber das ist noch keine Vertiefung, keine Mulde, sondern nur die… also, das Gras und das Kraut rausgekratzt. Das ist ja ein Schlepper mit klassischen Ackerreifen, der schaufelt mehr. Das ist nicht so doll.

Also Weißburgunder bis hier, und dann beginnt Grauburgunder. Da kannst du ja von weitem meinen, die leuchten schon gefärbt.


TS: Wollt grad sagen, das sieht ja fast schon grau aus.


WS: Also, in dem Wingert ist es am stärksten. Vor allem an den Burgundern.


Ja, also es ist schon anders, es ist mehr rot drin. Und je weiter wir jetzt hier nach Westen kommen, umso roter wird‘s.


WS: Aber es geht schon einigermaßen. Hab mir‘s schlimmer vorgestellt. Aber der hat ja jetzt oben in die Spuren Stroh reingemacht, richtigerweise. Weil, das Stroh ist eine super Wasserbremse.

Damit das Wasser nicht gleich diesen Dachrinnen nachläuft. Weil, das muss man sich jetzt mal so vorstellen, normalerweise kommt der Regen von Westen, also von der Seite, schlägt hier. Kommt so rüber, vor allen Dingen, wenn es Gewitter gibt, der kommt mit Schwung. Das, was hier auf die Laubwand trifft, läuft alles in diesem Bereich auf den Boden, konzentriert, ja? Also, Regentraufe. Und wenn dann da irgendwie eine Spur, also eine Vertiefung ist, ne Rille oder sonstwas, oder Schlepperspur - dann geht‘s ab.


TS: Und waren die Regenfälle auch schon mal so stark, dass sie dann anfangen, die Stöcke freizuspülen?


WS: Gab‘s auch schon mal. 1977 war es ganz schlimm. Da waren die Reben noch ziemlich jung, und da hat der Boden noch wenig Humus, und da gab‘s teilweise solche Extreme, dass da solche Gräben drin waren und die Wurzeln hingen in der Luft. Aber seitdem eigentlich in dem Maß nicht mehr.

Jetzt pass mal auf, dass du nicht bespritzt wirst.


TS: Aber welche Ironie auch, dass dann ´76 so total abgeht, und dann ´77 kriegste halt alles weggewischt.


WS: Is‘ so.

1976 gilt auch in den meisten Anbaugebieten in Rheinland-Pfalz als einer der Jahrhundertjahrgänge. Mit ein wenig Glück finden sich noch v.a. edelsüße Varianten, die durchaus das Probieren lohnen.


WS: So. Hier sehen wir ja was ganz Eigenartiges: die Winzer haben die Reihen nicht so angelegt. Hier ist ein Rutschgebiet, d.h. so anderthalb Hektar oder so ungefähr, wo so alle zwanzig Jahre mal der Berg in Bewegung ist. Und in meiner Erinnerungszeit ist hier zweimal planiert worden. Einmal in der Flurbereinigung, und einmal nach der ersten Rebengeneration, und dann hat man sogar versucht, mit Tiefdrainagen, mit Schottergräben, da das Wasser rauszukriegen, aber da ist irgendwo, unter vier, fünf Meter, eine wasserundurchlässige, oder relativ undurchlässige, Schicht und dort drüber schmiert dann, wenn der Oberboden zu schwer und zu nass wird, schmiert das ab, so in diese Richtung, und deshalb hat sich das da so rausgeformt. Ja. Und, wird immer roter, gell? Hier oben ist aufgefüllt, wir sehen das gleich an einer anderen Stelle besser.


WS: Rot, gell?

Wir haben hier auch einen Grauburgunder R. Hast du eventuell auch schon mal probiert. Und der kommt aus einem Teil dieser Parzelle, ist auch Grauburgunder, den da vorne hast du schon gesehen, wieviel verdorrte da waren. Aus welchen Gründen auch immer, hier ist es noch nicht mal die Hälfte.

Vielleicht ist es das bisschen, wo der andere Wingert ein bisschen mehr nach Westen schaut. Dass er mehr von der Spätnachmittagssonne abgekriegt hat.


TS: Warum sehen die Reben denn so extrem anders aus als im Burgund?


WS: Ja, im Burgund hängt man ja an dem klassischen System: schmale Zeilen mit einer hohen Stockdichte und niedriger Laubwand. Also, wahrscheinlich 50% mehr Stöcke, oder noch mehr, als es hier normal ist, aber sehr, sehr schwer zu bewirtschaften. Und dann, könnte man jetzt mal sagen, wieviel Sinn macht das? Die Franzosen sagen ganz sicher, das war schon immer so, das brauchen wir, um genau den Wein-Typ zu erzeugen. Aber, ich glaube, dass es zumindest auch eine Rolle spielt, dass sie in den 60er Jahren, oder noch davor, anfingen mit den Überzeilenschleppern, d.h. die Zeile zwischen die Räder genommen haben. Und das geht halt nur, wenn die Zeilen nicht höher sind wie so. Ja, und dann brauchst du auch keine Breitzeilen. Also, die haben die Mechanisierung auf die alten Zeilen eingestellt. In Deutschland war es tendenziell umgekehrt. Man hat gesagt, jetzt haben wir zuerst mal einen Traktor, der war 90 cm breit, aber die sind laufend umgefallen, und kamen nicht den Berg hoch. Also, dann mussten auch mit der Technik die Zeilen wachsen. Oder die Zeilenbreite wachsen. Und heute ist man bei 1,80m bis zwei Meter eigentlich. Wenn es um die Empfehlung geht, von Schulenseite, sollte zumindest mal in fahrbarem Gelände nicht weniger als zwei Meter sein - und das ist auch OK.


TS: Aber das eigentliche Holz wirkt ja auch extrem anders, vom Stock?


WS: Ja, wir versuchen, einen geraden Stamm zu ziehen. Und in Frankreich zieht man ja immer wieder von unten raus auch neues Holz hoch. Das kann auch sein, dass das schon die alte Schutzmaßnahme ist, um vor Esca zu schützen, dass man immer wieder frisches Holz von unten hoch hat. Aber die haben die gleiche Esca-Kalamität wie wir.


TS: Also, als Laie wirkt das knochiger. Und vielleicht ein bisschen spröder, und bei denen…


WS: Das ist auch ein bisschen Unterschied, je nach Sorte. Also, die Grauburgunder machen, oder die Burgunder machen, schnell einen dickeren Stamm, als ein Riesling beispielsweise.

So, jetzt, hier sind wir ja richtig rot, gell. Hier geht es schon ins Lehmige, weiter hoch ist es dann wieder steiniger, und, deshalb, von hier aus sieht man es nicht so doll, bis in die Mitte haben wir so mehr tiefgrün, und obendrüber ist es mager und hell.


(Das Telefon läutet)

WS: Frank. „Ja, Frank? Jetzt grad (in Aue) stehen wir. Das Auto… am Kreuz stehen.“ Ja, und da oben ist es magerer, da sind die Träubchen kleiner. Also, da ist so Magerzustand wie hier. Sieht man hier schon, da, wenn die Stöcke magerer werden, sind die Trauben kleiner. Jetzt guck dir mal den ersten Stock an, der da noch den Saft von unterm Weg rausholt. Ja, da ist das Traubengewicht teilweise dreifach. Und von diesen kleinen, da machen wir dann den R.

Hier würde noch Top-Riesling wachsen, aber wir… insbesondere so, ich sag mal, vor zwanzig Jahren… war es nicht gerade so, dass die Nachfrage nach Riesling vergleichbar war mit heute.


Wir sind aber auch heute nicht unglücklich, dass wir 15% Burgunder neben den 85% Riesling haben.


TS: Das ist ja die Frage, die auch eben bei den Jahrgängen, und wie man sie im Nachhinein bewertet, nicht ganz einfach ist. Einerseits sprichst du ja davon, dass es so deine Kinder sind, und denen willst du natürlich immer ein gewisses Maß an Liebe zusprechen, andererseits siehst du ja ganz klar Qualitätsunterschiede, und musst die aber andererseits auch noch verkaufen, weil es ja ein Wirtschaftsunternehmen ist.


WS: Ja, ich mein, hier beim Grauburgunder kommen wir aktuell nicht gerade auf die gleichen Erlöse, wie wenn wir jetzt hier Riesling stehen hätten. Aber vor zehn, fünfzehn Jahren war es auch noch anders. Und ja, insofern ist es auch überflüssig, jede Parzelle nur, und jeden Stock drauf festzumachen: was bringst du mir jetzt, wieviel Kohle bringst du mir, ja. Sondern, es muss dir ja in erster Linie Spaß machen, den Wein, der hier auch erzeugt werden soll, auch wirklich zu erzeugen. Und nehmen wir mal an, jetzt käme jemand und würd sagen, jetzt pflanzt der hier Sauvignon Blanc, da würden der Frank und ich gemeinsam sagen, interessiert uns nicht. Das ist eine Zeiterscheinung, und das lassen wir da, wo die Leute mit umgehen können, und dieses grasgrüne Zeug, was man hier in Deutschland so im breiten Publikum feiert, das ist z.B. in der Steiermark, wo man sich schon seit ewigen Zeiten mit der Sorte auseinandersetzt, inzwischen nicht mehr so gefragt. Das sind die bis zehn Euro, da mag man noch die lauten, und wenn es mal über die zwanzig geht, dann kenne ich also keinen von den Bedeutenden, der dann auch auf diese Sortenaromatik aus ist, sondern man geht da eher so ein bisschen an das Vorbild von der Loire. Dass es ins Salzige geht, dass man mehr Tiefe will. Und, ja, das ist einfach für einen Weinliebhaber anspruchsvoller.

So, und das ist die Frage, wenn wir hier was machen und wir nehmen eine Top-Parzelle, dann sollte der Wein ein Gesicht haben. Soll einen Charakter haben. Und wir wollen hier niemals anstinken gegen die Kollegen aus der Pfalz oder auf dem Kaiserstuhl, wo die Verbreitung der Weiß- und Grauburgunder, oder auch Chardonnay, x-fach größer ist als hier. Aber, wir sagen, es hat einen Stil, ja. Und es kommt hier mehr Stein und die Frucht und die Kühle rüber, weil die Trauben auch drei Wochen, manchmal vier Wochen, später gelesen werden als weiter im Süden. Und damit wird das nicht so üppig, es hat eine andere Stilistik. Ja, ich wiederhol mich, nicht mit dem Anspruch, dass wir den neuen Stil Grau- und Weißburgunder für uns beanspruchen. Da fühlen wir uns eher beim Riesling zu berufen. Aber es hat, das kann man ja unbestritten nachvollziehen, es hat eine Klasse. Und wenn wir unsere Burgunder den guten Kollegen vom Kaiserstuhl zeigen, dann finden sie das auch gut, ja? Es ist nur genau umgekehrt, wenn die mit ihren Rieslingen kommen, gegen die von der Nahe, und dann werden die Riesling-Freaks sagen, ja, aber ich hab‘ jetzt eigentlich so als Urtyp Riesling mehr das im Kopf, was die von der Nahe machen, ja? Deshalb…, z.B. der Joachim Heger sagt, „ich bin es leid, mit meinen Rieslingen gegen eure anzustinken“. Ja, so hat Gott sei Dank alles seine Berechtigung.


Je weiter wir jetzt hier Richtung Nahe aufwärts kommen, umso roter wird der Boden, und dann verändert sich auch die Klimatik. So, da, wo jetzt der Wingertshorizont ist, wo wir da hingucken, das ist auch so eine Klimakuppe, hintendran wird es einfacher. Da haben wir nicht mehr die Thermik, wie hier vorne, und es kommt auch mehr Kaltluft von der Höhe, die da breit runterfließt, und die Böden sind mächtiger, es gibt dickere Trauben, und damit ist es keine große Qualität. Der Riesling kriegt dann eine derbe Säure. Also, für die Leute, die so im Allgemeinen sagen, ach, Riesling ist nicht so meins, Säure und so weiter… Da sag ich, ist nicht die Frage, wie die analytische Säure ist, sondern wie der Charakter der Säure ist. Und das hat stark damit zu tun, von welchem Boden kommt er… Und, von diesen leichten, steinigen Böden, insbesondere wie wir sie vorhin im Halenberg gesehen haben, da ist die Säure fein und seidig, und hat eher eine Glätte. Und wenn wir dahinten jetzt hinkommen, wo die Trauben dicker werden, da wird‘s - selbst wenn die Analytik gleich wäre - ist die Säure ungehobelter, adstringierender, und macht eher die Kehle zu, das ist ein deutlicher Unterschied. Die frühere Frage, wo gehört welche Sorte hin, insbesondere, wo gehört welcher Riesling hin, hat sich daran festgemacht: wie schmeckt die Säure? Und das sollte heute auch noch das wichtigste Kriterium sein. Weil, das ist die Finesse eines guten Rieslings im Abgang, wie er dir begegnet. Du willst auf der einen Seite die Frische der Säure haben, aber nicht die Adstringenz, und auch nicht das, was den Magen rebellisch macht.



TS: Wieviel davon lässt du denn so, wie das, was du da im Fass hast, und wo steuerst du noch wie im Keller dagegen?


FS: Also, im Wesentlichen probiere ich eigentlich, möglichst wenig Einfluss auf die Weine zu nehmen. Also, ich sag mal, ich hab‘ natürlich in dem Moment, wo wir die Trauben lesen, schon einen Gedanken oder ein Ziel, was daraus werden soll. Also, ob das jetzt, sag ich mal, Basisqualität oder Lagenqualität gibt, ob das trocken oder fruchtsüß werden soll. Und, ich sag mal, insofern entscheide ich auch, in welchem Gebinde, also Holzfass oder Edelstahltank, der Wein vergärt. Ob er eben ein bisschen wärmer oder ein bisschen kälter vergärt. Also, insofern nehme ich dann natürlich schon Einfluss, aber das ist es in der Regel eigentlich auch schon. Ausnahmen sind jetzt natürlich Weine oder Jahrgänge, die, sag ich mal, einfach nicht die Reife erreicht haben, wo dann vielleicht auch die Säure einfach ein bisschen zu viel ist. Die Freiheit habe ich dann natürlich, das ein bisschen zu justieren, wobei ich aber auch überhaupt kein Freund davon bin, alle Jahrgänge irgendwie gleich zu machen. Also, ich finde, ein Jahrgang, der sehr heiß war, der führt nun mal dazu, dass die Weine ein bisschen säureärmer, und häufig eben auch opulenter sind. Das soll auch so sein. Ein sehr kühler Jahrgang, wie 2010, sag ich mal, da soll man auch am Ende noch merken, wie es war, und nicht versuchen, den durch Chaptalisation und Entsäuerung, sag ich mal, dahin zu kriegen, dass er nachher schmeckt wie ein 2009er - das kann nicht sein. Man kann natürlich so in einem gewissen Rahmen versuchen, sag ich mal, die Spitzen so ein bisschen zu brechen. Es will ja keiner einen Wein haben, der erst nach zehn Jahren irgendwie ansatzweise trinkbar ist. Also, wenn es so schlimm ist, dann bin ich da schon der Meinung, dass man auch eine Säure ein bisschen korrigieren kann, ja. Aber wie gesagt, bitte nicht soweit, dass es dann schmeckt wie aus einem ganz anderen Jahrgang.



TS: Könnt ihr euch das von der Menge und vom Platz her erlauben, dass ihr Jahre auch erstmal eine Dekade liegen lassen könnt, bis ihr die in den Handel bringt?


FS: Für ganz kleine Positionen, ich sag jetzt mal, sowas Edelsüßes, wo es eh nur, was weiß ich, 100, 200 Flaschen gibt, ist das sicherlich kein Problem. Wenn es um mehrere tausend Flaschen geht, dann ist das naturgemäß etwas schwierig. Zum einen, überhaupt die Lagerkapazität sich so lang zu blockieren, und zum anderen ist es ja dann auch so, wenn das jetzt nicht ganz außergewöhnliche neue Weine sind, dann wartet ja auch die Kundschaft eigentlich immer auf den neuen Jahrgang, und insofern funktioniert das eigentlich in der Regel auch gar nicht. Also zumindest mal, wie gesagt, nicht mit Weinen, die eben im gewohnten Programm immer drin sind.

Ein Gedanke, der mir sehr gut gefällt, ist, dass man einfach sagt, OK, Menge x behalt ich mir zurück. Sagen wir, vielleicht zehn Prozent von dem, was abgefüllt wurde, und das lege ich dann mal drei, vier, fünf, zehn, zwanzig Jahre, je nachdem, was es ist, und was ich mir dabei denk, eben zurück, und bring das dann wieder, wenn ich sage, OK, jetzt schmeckt es richtig geil, und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.


TS: „Nur zehn Prozent“ ist doch schon signifikant.


FS: Na ja, gut, es kommt drauf an… also, sind das jetzt zehn Prozent von 10000 Flaschen oder von 1000 Flaschen, oder... ja.


TS: Wie groß sind denn die Schwankungen, die ihr so im Output habt?


FS: Die wir?


TS: Wie sind denn die Schwankungen im Ertrag?


FS: Insgesamt?


TS: Ja.


FS: Ich sag mal…


WS: Waren früher größer.


FS: Von… also, wir bewegen uns heute da, ich sag mal, in der Regel so im Korridor von 45 bis 60 Hektoliter pro Hektar. Ja. So mal grob gesprochen. Und wie sich das dann halt verteilt wiederum, auf die Rebsorten und auf die einzelnen Weine, das ist dann halt nochmal ein ganz anderes Thema. Das kann halt sein, dass es in einem Jahr vielleicht 300 Liter Auslese gibt, und im anderen Jahr sind’s mal anderthalbtausend. Das kommt immer so ein bisschen drauf an auch, was die Natur in dem Jahr gerade gibt. Wenn ich viele schöne Botrytis, schöne Rosinen hab, dann macht es Spaß, da edelsüße Weine draus zu machen. In anderen Jahren sagt man, … wenn ich mir da Beeren zusammensuchen muss, also, das mach ich dann vielleicht für eine Beerenauslese oder für eine Trockenbeerenauslese, wenn ich das Gefühl hab, das ist wirklich ganz besonders. Aber nicht für eine Auslese, ja. Und da gibt‘s unter Umständen auch mal keine Auslese, oder von den zwei Lagen nur eine, und selbst die vielleicht nur eine Minimenge. Wie gesagt, das ist von Jahr zu Jahr dann sehr unterschiedlich.


TS: Merkt ihr hier im Gegensatz zur restlichen Nahe starke Unterschiede, was gerade so edelsüße Sachen angeht, was ihr an Möglichkeiten habt?


WS: Ich glaube, die sind eher vom Winzer abhängig. Und ich glaub, das ist in erster Linie eher die Frage von Exportanteil und wohin Export. Weil, in Deutschland ist die Nachfrage nach edelsüßen Weinen sehr übersichtlich. Aber weltweit haben Beeren- und Trockenbeerenauslesen, auch Auslesen aus Deutschland, einen wahnsinnigen Ruf. Und wir sind auch so frei, und behaupten, die besten edelsüßen Weine, die raffiniertesten edelsüßen Weine der Welt, kommen von der Rebsorte Riesling, und dann letztendlich auch aus Deutschland, weil, je wärmer das Klima wird, umso mehr fehlt auch den Edelsüßen dieser rassige Säure-Kick, der erst die Trinkigkeit gibt. Ja, man muss da schon sehen, Riesling ist normalerweise niedriger Alkoholgehalt, viel Frucht, relativ hohe Süße, und Säure dazu. Und dieses Spannungsfeld, Säure, Süße, Mineralität und, und, und, das macht auch einen süßen…, einen großen Süßwein noch trinkig und macht einen Reiz. Die andere Seite ist, ich nenn es jetzt mal so Kerntyp: hohes Mostgewicht, konzentrierte Botrytis, weniger Säure, auch von Sorten, die die Rasse nicht so widerspiegeln. Und dann haben wir hohe Alkoholgehalte, plus Süße, und die sind dann eher mächtiger. Und, ja, also deshalb nochmal, bei den Freaks haben die weltweit, die großen Süßweine Deutschlands, einen enormen Namen. Aber werden auch dort nicht in den Stückzahlen getrunken, wie sie gekauft werden, sondern liegen häufig in den Schatzkammern, und man geht hin und wieder dran, auch weil sie einen besonderen Wert darstellen. Aber das dreht sich halt nicht so. Und wer jetzt z.B. schon länger im asiatischen Markt ist, der hat eine andere Chance, große Mengen Süßwein zu verkaufen als jemand, der sich eher über die trockene Schiene profiliert und stark in Deutschland ist, oder in Nachbarländern, wo es auch eher um trockene Weine geht.


TS: Wie oft macht ihr noch Eisweine?


FS: Den letzten haben wir 2012 gemacht. Es wäre sicherlich in den letzten Jahren hin und wieder möglich gewesen. Die Kollegen hier, zum Teil im Ort, zum Teil in Nachbargemeinden, haben das auch gemacht. Aber ich sag mal, Eiswein ist nicht gleich Eiswein. Und für mich gehört, ja, wenn ich Eiswein denke, dann denk ich an einen Wein, wo wirklich gesunde Trauben mit einer vernünftigen Säure gefroren sind. Und da war es tatsächlich so, dass wir seit 2013 nicht ein einziges Mal das Gefühl hatten, die Trauben sind jetzt Ende Oktober oder Anfang November, wann auch immer wir da fertig waren mit der Hauptlese, oder, ja, mit der Lese im Wesentlichen, dass wir uns das vorstellen konnten, dass die, sagen wir mal, zwei Monate später immer noch so topgesund sind und Säure haben. Und wenn das nicht der Fall ist, dann sagen wir halt, lassen wir es einfach sein, ja. Dafür haben wir in den letzten fünfzehn Jahren wesentlich häufiger edelsüße, oder Weine aus botrytisierten Trauben erzeugt, also Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen. Dafür sind die Voraussetzungen besser geworden.

Und, ja, so leid mir das tut, dass sich eben die Gelegenheit für den Eiswein nicht mehr so häufig bietet, haben wir das zum Teil natürlich damit auch ersetzt.


WS: Weißt du, wenn Eisweine hinterher schmecken wie nicht ganz saubere Beerenauslesen, dann kannst du dir das schenken. Dann macht es keinen Sinn. Eiswein lebt davon, dass er eine klare Fruchtigkeit hat und eine frische Säure dazu. Dass es ein eigenständiger Typ ist.


TS: Ja, ich meine, wenn ihr von denen von vorher noch genug rübergelegt habt, dann…


FS: Haben wir nicht. Also, für den eigenen Bedarf schon, aber nicht so, dass man da was verkaufen könnte. Also, der 2012er Eiswein ist natürlich lange verkauft, ja. Aber wie mein Vater schon sagt, ein Eiswein, der nach Honig und Rosinen schmeckt, ist kein Eiswein. Und deswegen… das funktioniert dann halt eben nur mit Trauben, denen man das eben zutraut, dass sie auch in dem Moment, wo der Frost kommt, auch noch den Zustand haben. Und selbst wenn, sag ich mal, wie im Jahr 2018 beim Ende der Lese wirklich noch die Trauben alle supertoll gesund, goldgelb und einwandfrei waren, muss man aber sagen, die Säure war halt eben nicht mehr so, dass das eben für einen Eiswein noch die Raffinesse gehabt hätte.


TS: Und das seht ihr dann, und dann erntet ihr den Rest?


FS: Genau.


TS: Wie sehr versucht ihr denn, Muster zu erkennen, wie sich Wetter, Klima, Witterung mittelfristig ändern?


FS: Das ist eine Frage, die, glaub ich, keiner wirklich beantworten kann. Vor allem die Frage, wie schnell das geht, ist nicht viel mehr als Spekulation, ja. Wir merken das natürlich, dass sich schon sehr, sehr viel getan hat. Dass der Weinbau heute hier an der Nahe schon ein ganz anderer ist, als er in den 70er und 80er, und Anfang der 90er Jahre war. Bis hierhin müssen wir sagen, Gott sei Dank. Die 80er Jahre wollen wir sicher nicht nochmal erleben. Weil, da gab‘s viele schlechte Jahre und unreife Jahre. Seit ich im Weinbau bin, das sind jetzt schon zwanzig Jahre, gab‘s keinen einzigen Jahrgang, wo man sagen müsste, der war jetzt wirklich überhaupt nicht reif. Vielleicht der 2010er, könnte man sagen, OK, der könnte ein bisschen reifer sein, aber OK, selbst aus dem ist was geworden.

Also, zwanzig Jahre vorher hätte mein Vater da was ganz anderes gesagt. Aber, wie gesagt, man merkt halt schon, dass es schnell vorangeht und dass wir uns eben mittlerweile manchmal schon Gedanken machen müssen, müssen wir jetzt schauen, dass die Trauben doch ein bisschen mehr beschattet sind, müssen wir vielleicht auch hier und da drüber nachdenken, ob das irgendwann vielleicht mal nur noch mit Bewässerung funktioniert…? Also, da sind wir jetzt ja glücklicherweise noch nicht, aber das ist denkbar, und die extremen Wettersituationen mit Starkregen, Hagel, Sturm…, dass das zunimmt, ich glaub, das kriegen wir auch alle mit. Darauf können wir halt leider nur sehr schlecht reagieren. Also, höchstens insofern, dass wir zumindest probieren, das Thema Erosion möglichst kleinzuhalten, durch mehr Begrünung, durch Stroh, Holzhäcksel, was auch immer, ja.


WS: Also, zu dem Thema auch von mir noch ein Beitrag… Jetzt hatten wir ´17 und ´18 sehr heiße Sommer. Wir denken ein Jahr zurück, 2016 hat unser Bächlein in den letzten Maitagen in unserer Hofeinfahrt gestanden, und es hat gegossen über den ganzen Juni, und erst im Juli ist es langsam trocken geworden, ja. Wie das in den nächsten vier Wochen weitergeht, weiß kein Mensch. Es kann sein, dass wir irgendwann noch abwinken und sagen, um Gottes Willen, jetzt muss es endlich aufhören zu regnen, die Trauben sollen wir gesund heimbringen und, und, und… Anfang ´90 hatten wir Wiebke und dann kam Lothar, also, die starken Stürme, da hieß es, ja, wir werden immer mehr starke Stürme haben - in der Intensität hatten wir sie seitdem überhaupt nicht mehr. Wir hatten ´93, und noch ein anderes Jahr Anfang ´90, hatten wir Hochwässer, ist Kreuznach vollgelaufen und, und, und… katastrophal. Da hieß es, wir werden mehr Hochwässer kriegen. Hatten wir auch in der Zeit nicht mehr. Also, wie gesagt, so merkt man immer, dass es irgendeine Häufung von Dingen mal ein paar Jahre gibt, und dann ist es auch mal wieder anders. Also, ich meine, was unstrittig ist, dass die Durchschnittstemperaturen in den letzten zwanzig Jahren gestiegen sind. Ja, und dann nehmen wir die letzten zwei Jahre, da haben sie einen richtigen Sprung gemacht. Was nächstes Jahr ist, wissen wir auch noch nicht. Schau‘n wir mal.


TS: Bedenken und Ängste sind ja auch sehr mode- und konjukturabhängig. Da hilft es ja vielleicht auch, ab und zu nochmal jemanden in der Nähe zu haben, der sagen kann so, „warte mal, das haben wir vor 30 Jahren auch schon mal gedacht, und es wächst immer noch“. Also ich mein, das ist ja schon noch…


FS: Das ist sicher so. Also, ja… und ich sag mal, es wird… man wird ja hin und wieder auch gefragt, ja, wie reagieren Sie jetzt auf die Klimaerwärmung? Pflanzen Sie jetzt, was weiß ich, demnächst auch, keine Ahnung, Syrah und Sangiovese und schlag-mich-tot? Das ist natürlich, das sind dann auch nur so Extrem-Reaktionen. Ich antworte darauf immer gern, machen wir natürlich nicht. Sicherlich denken wir schon darüber nach, und wir merken auch, dass wir jetzt heute natürlich Riesling in Lagen setzen können, und das tatsächlich manchmal großen Sinn macht, wo man vor zwanzig Jahren noch nicht ernsthaft drüber nachgedacht hätte, oder von seinem Vater vielleicht dafür ausgelacht wurde - worden wäre.


TS: Grad so nochmal die Kurve gekriegt.


FS: Ja. Aber, letztlich, sag ich mal, es ist ja auch jetzt nicht festgeschrieben, dass der Riesling von der Nahe in zwanzig Jahren noch genauso schmecken muss wie heute. Also, er schmeckt ja heute auch nicht so, wie er vor zwanzig Jahren geschmeckt hat. Und vielleicht wollen wir das auch in zwanzig Jahren gar nicht. Ich war ein halbes Jahr in Australien, hab da während des Studiums ein Praxissemester gemacht, Südaustralien. Im Clare Valley, das ist der Riesling-Hotspot in Australien. Und das heißt nicht, da stehen dann hin und wieder mal ein paar Riesling, sondern das ist da die Haupt-Rebsorte, zumindest mal, was weiß angeht. Und die sind da auch, sag ich mal, zumindest im asiatischen Bereich, sind die damit erfolgreich. Da wird der Riesling selbst bei über 30 Grad gelesen. Ja, das ist ja für uns absolut unvorstellbar. Und da entstehen natürlich auch andere Rieslinge, aber wie gesagt, ja, es geht weiter. Und man muss jetzt nicht zwangsläufig sich über andere Rebsorten Gedanken machen, man kann auch einfach mal drüber nachdenken, wie können wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, aus den Rebsorten, die wir haben, auch in Zukunft das Beste rausholen. Und vielleicht auch in dem ein oder anderen Fall, irgendwann mal die Rebsorte neu interpretieren.

Beispiel Grauburgunder Ruländer, gleiche Rebsorte. Ruländer in meiner Jugend oder in meiner Kindheit… das war immer ein süßer Wein, der ganz schön üppig war. Und, ja, das gibt‘s heute eigentlich fast nicht mehr. Heute wird Grauburgunder trocken ausgebaut, und möglichst auch geguckt, dass das eben sauberes, gesundes Lesegut ist. Das hat sich auch entwickelt.


TS: Hier draußen haben wir eigentlich die großen Themen soweit durch, oder? Sollen wir dann mal zur Basis zurück?


OJ: Zur Space Base... Grauburgunder - auch interessant, wenn die Maische vergoren wird… Ist ja einer der wenigen Weißweine, die dann rot werden, weil es ja so eine rötliche Haut auch hat…?


FS: Ja, so rosa kann das dann werden.


OJ: Ich hab mich einmal getäuscht in Italien, als Rotwein serviert, war aber in Maische vergorener Grauburgunder…


FS: Ja gut, das kann natürlich in Italien noch ein bisschen extremer werden. Das ist ja hier auch sehr vom Jahr abhängig. Also, es gibt tatsächlich Jahre, da sieht auch hier der Grauburgunder schon dem Spätburgunder sehr ähnlich. Also, wir haben das auch schon gehabt…


WS: Trotzdem: rosa Saft haben wir selten. Und in den 70ern…


FS: Ja, hat der Spätburgunder ja auch nicht.


WS: Ja, in den 70ern hatten wir von einem Kollegen einen Wingert in Pacht-Bewirtschaftung im Springbrunnen unten, und das war noch ein anderer Klon, und da war der Saft - also ohne Standzeit! - war der Saft richtig tief rosé, der Saft. Und nicht bei 100 Grad, sondern vielleicht bei 85 oder 90. Das habe ich in der Zwischenzeit nicht mehr erlebt. Da hat er mal solch einen leichten Schimmer, und das nimmt die Hefe von sich aus raus, das sind keine echten Farbstoffe. Und wenn die dann auf der Maische angären, dann wird ja noch deutlich mehr gelöst, und dann bekommt man vielleicht dann so halbechte Farbstoffe, die dann hinterher in Richtung Rosé-Ton gehen.


OJ: So fast wie ein junger Rotwein.


WS: Und, jetzt mal einfach unter uns… ich würde nicht die Hand dafür ins Feuer legen, das ist ja auch durchaus vorstellbar, dass jemand meinetwegen Spätburgunder filtriert hat, Rotwein, und die Filterschichten, die absorbieren noch eine ganze Menge Farbstoffe. Wenn du Weißwein hinter einem Rotwein filtrierst, hast du zuerst mal eine ganze Weile Rosé. Es ist doch durchaus vorstellbar, und das was wäre auch, wie soll ich das sagen, nicht schrecklich schlimm, wenn das jemand machen würde, dann hätte er einen noch ein bisschen deutlicheren Rosé.

Ja, also, wenn ich sag, für große Weine werden die guten Trauben weggenommen, haben wir es hier fast nebeneinander. Der erste Stock... und dann wird der Ertrag… ist es noch die Hälfte oder ein Drittel. Und so, wenn das jetzt ein Riesling wäre, käme das nicht ins Große Gewächs, sondern ins nächste Stück. Da gehen wir immer zweimal, dreimal durch. Und damit kriegt man das wieder hin.


FS: Das ist auch ganz oft so, dass die letzten Reben tatsächlich ein bisschen fetter sind. Zum einen, weil sie natürlich auf der einen Seite keine Konkurrenz haben. Hier stehen ja keine Reben mehr. Zum anderen aber auch, gerade oben raus, ist halt häufig so für den Weg ein bisschen Grund angefahren worden, und dann haben die da halt eben ein bisschen mehr Wohlstand, dann wird‘s automatisch etwas fetter.


WS: Hier z.B. ist Esca-Riesling. Hier spricht man von Tigermuster. Der Stock ist krank. Riesling ist auch viel empfindlicher als Burgunder.


TS: Dabei sieht‘s hier eigentlich ganz schick aus.


WS: Und du siehst hier auch, der hat ein blaues Band. Also hat er voriges Jahr schon Symptome gezeigt. Und… da ist unten schon mal so ein Wasserschoss stehen geblieben, der ist zwar sehr mickerig, aber vielleicht entwickelt der sich ja noch. Und dann wird man versuchen, den als Stammerneuerung hinzukriegen.


FS: Da hatten wir’s schon mal probiert… das war der Versuch vom letzten Jahr.


TS: Gibt es Regen oder zieht das weiter?


FS: Wind kommt von da. Wir werden sehen.



FS: So, wir sind jetzt in unserem Keller. Ein Keller, der natürlich auch über die Jahre hier sich ein bisschen entwickelt hat. Als mein Opa in den 60er Jahren hierhin ausgesiedelt ist, war das hier zunächst mal der ganze Weinkeller, wo da nicht nur die Fässer drin gelegen haben, sondern auch der fertiggefüllte Wein. Und da kam er aber wohl schon relativ schnell an den Punkt, wo er dann gemerkt hat, OK, wenn es dann Richtung Weinbau gehen soll, dann müssen wir hier etwas erweitern. Und dann wurde, korrigiere mich, wenn‘s nicht stimmt…


WS: ´68.


FS: Genau, Ende der 60er wollte ich sagen, also ´68, hier dieser Teil des Kellers dazu gebaut. Der dann zuerst mal riesiggroß erschien. Aber natürlich irgendwann dann auch etwas eng wurde. Und als ich dann, in der Zeit, in der ich dann in den Betrieb kam, war das immer so gewesen, dass wir hier mit den Platzverhältnissen irgendwie klarkamen. Aber manchmal eben dann auch schon relativ früh schauen mussten, dass wir einzelne Parzellen eben zusammengefasst haben, was mir eigentlich nicht gefallen hat. Wo es mich einfach interessiert hätte, das mal weiter zu verfolgen, aber das ging schlichtweg nicht, weil wir eben zu wenig Kleingebinde hatten. Insofern hat man sich dann da schon so ein bisschen der Möglichkeiten beraubt, die es im anderen Fall halt mit der späteren Assemblage der fertigen Weine gegeben hätte. Ja, und dann ist eben der Gedanke aufgekommen, dass wir den Keller entsprechend erweitern. Und in dem Zug dann auch ein neues Kelterhaus bauen, weil auch das war wirklich supereng für die Art der Traubenverarbeitung, wie wir das damals gemacht haben, und heute noch machen. Und ja, seitdem gibt‘s dann, also seit 2010, gibt‘s hier den etwas tiefer liegenden Keller, der jetzt ausschließlich mit Edelstahltanks bestückt ist, und dadurch, dass er ein bisschen tiefer liegt, liegt er auch schon so ganz leicht im Grundwasser, so dass da auch die Bodenplatte schon ein bisschen kühler ist, und wir da schon mal ein bis zwei Grad kühlere Temperatur haben, als das hier der Fall ist. Dadurch dass da jetzt Edelstahltank oder Edelstahlkapazität geschaffen wurde, haben wir natürlich in diesem mittelalten Abschnitt des Kellers die Möglichkeit gehabt, Platz für Holzfässer zu schaffen. Und das haben wir gerne genutzt, weil wir der Überzeugung sind, dass große trockene Weine einfach schöner reifen und spannender einfach sich entwickeln, wenn sie eben im Holz ausgebaut sind. Seitdem können wir es uns leisten, zu sagen, die Großen Gewächse, wie auch die Ortsweine, werden grundsätzlich im Holz ausgebaut. Und die Edelstahltanks nehmen wir halt für die leichteren Qualitäten, und für die frucht- und edelsüßen Weine.


TS: Das ist ja schon eine ordentliche Menge.


FS: Ja, das ist eine ordentliche Menge, ganz klar. Aber das sieht auch immer mehr aus, als es ist. Wenn wir jetzt den gleichen Raum, sag ich mal, effizient mit Edelstahltanks auslegen würde, hätten wir locker nochmal die Hälfte mehr Gärraum, Lagerraum, wie auch immer. Fässer brauchen schon Platz, selbst wenn sie so wie hier, sag ich mal, fast maßgeschneidert sind. Wir haben hier die Fässer zum allergrößten Teil wirklich auf die räumlichen Gegebenheiten anpassen lassen, damit wir da… also zum einen, sag ich mal, um etwas bequemer arbeiten zu können. Um nicht zu kleine Fässer zu haben. Zum anderen, um eben nicht so viel Platz zu verschenken, und natürlich ergibt sich dann dadurch auch die Möglichkeit, dass wir hier auch unterschiedliche Fassgrößen haben, zu sagen, OK, bei den Weinen, die halt, ja, wirklich von ganz speziellen Parzellen kommen, die kommen in die kleineren Fässer. Bei denen, wo es, im Fall der Ortsweine, wo man sagt, OK, das ist jetzt nicht ganz so entscheidend, dass das alles parzellenscharf ist, und abgesehen davon, sag ich mal, wollen wir da vielleicht auch den Holzeinfluss ein bisschen geringer halten, die kommen dann eben in die großen Fässer.


TS: Welche Größen benutzt ihr jetzt hier am End?


FS: Also, es geht los mit dem klassischen Halbstück, 600 Liter, was halt, wie gesagt, die klassische Größe ist. Ja, dann haben wir die Stückfässer mit 1200 Liter. Dann haben wir hier diese Zwischengröße von guten 1600 Litern, und das geht dann bis hoch zu dreieinhalbtausend.


TS: Das wären dreieinhalbtausend?


FS: Genau.


TS: Würde man von vorne gar nicht denken.


FS: Ja, das ist eigentlich, sag ich mal, so eine relativ klassische Front für ein Doppelstückfass, aber die sind dann deutlich kürzer.


FS: So ein Drittel länger als ein Doppelstück.


TS: Und wo keltert ihr?


FS: Das Kelterhaus ist direkt hier über diesem neuen Teil des Kellers. Ist im Moment eigentlich als solches nicht erkennbar, weil wir das nach dem Herbst komplett ausräumen. Dann werden die Maschinen alle in das alte Kelterhaus gestellt, das jetzt uns eigentlich nur noch als Lagerraum sozusagen, und Abstellraum für diese Dinge herhalten muss. Und das Kelterhaus wird jetzt halt genutzt als Fertiggutlager, also, wenn die Weine fertig ausgestattet sind, dann kommen sie da rein. Durch die Lage direkt oberhalb vom Keller haben wir natürlich die Möglichkeit, hier ohne Pumpen zu arbeiten. Je früher man da im Verarbeitungsprozess ist, desto, ja, wichtiger finde ich das eigentlich. Weil, es sind ja Trubstoffe im Most drin. Und in dem Moment, wo ich jetzt den trüben Most pumpe, werden die Trubstoffe schon wieder, sozusagen, zerschlagen. Es gibt noch mehr Truboberfläche, mehr Trubvolumen. Das haben wir jetzt damit schon mal wieder, sozusagen, eliminiert. Abgesehen davon ist es natürlich irgendwie…, ich find‘s auch ganz schön, wenn nicht alles mit Lärm verbunden ist und es einfach schön mit Falldruck in den Tank läuft.

Und, ja - auch schön.


Ja, die Edelstahltanks, sieht man jetzt auch, dort haben wir die Möglichkeit die Temperatur zu steuern. D.h. theoretisch kann der Most, der Wein, gekühlt werden. Könnte auch erwärmt werden, um die Gärung zu fördern. Die Gefahr, wenn man die Möglichkeit hat, ist natürlich immer, dass man irgendwie so nach Schema F dann auch verfährt, und am besten den einen Tank wärmt und den anderen kühlt, und wenn dann irgendwie die Gärung sich so und so entwickelt, dann machen wir es grad andersrum. Das liegt mir natürlich ganz fern. Also, ich nutze es eigentlich erstmal, um die Moste runterzukühlen, wenn die Trauben wärmer reinkommen, als ich es mir wünsche. Und ansonsten einfach, um die Spitzen in der Temperaturentwicklung ein bisschen zu brechen. Also, bei der Gärung wird der Most, oder der Wein, wird ja warm. Und ab einem gewissen Punkt ist das auch für die Aromatik nicht mehr förderlich, deswegen kann man da sagen, jetzt machen wir mal… jetzt kühlen wir den mal wieder ein Grad runter. Und da haben wir halt die Möglichkeit, ja. Und letztendlich natürlich auch bei Spätlesen, Auslesen, Kabinetten, die dann noch eine gewisse Restsüße sich bewahren sollen, ist das natürlich auch schön, wenn man sagen kann, OK, jetzt machen wir den richtig kalt, und dann bleibt die Gärung von allein stehen, und dann kann ich ein bisschen warten, bis sich das stabilisiert hat. Bis das Acetaldehyd abgebunden ist. Und kann dann einige Zeit später schwefeln, wo wir halt früher schon, ja, deutlich rabiater rangehen mussten. Das ist auch ein großer Vorteil.

Bei den Holzfässern hier gibt es die Möglichkeit nicht. Die sind noch im Wesentlichen wie zu Großvaters Zeiten, d.h. wenn man die machen lässt, dann kann es auch sein, dass es da während der Gärung richtig warm wird, auch wärmer, als man das, sag ich mal so, in der Schule mal gelernt hat. Das kann man sich dann überlegen, ob man das so akzeptiert, ob man sagt, das gehört dann irgendwie auch dazu zum Ausbau im Holzfass. Oder ob man sagt, OK, für den Fall der Fälle haben wir hier noch Kühlschlangen, die wir eben oben ins Spundloch reinstecken können, wo dann eben auch die Kühlflüssigkeit zirkuliert, wo man dann auch sagen kann, OK, jetzt wird mal ein paar Stunden lang gekühlt, und dann sind wir wieder, was weiß ich, ein Grad, zwei, kühler. Ja, das ist immer eine Frage der Philosophie. Beides habe ich schon gemacht. Ja. Wie gesagt, das ist mit den Holzfässern schon eine… ja, eine etwas klassischere Arbeitsweise.


TS: Und es ist ja auch ganz schön, wenn man den Reigen der Möglichkeiten hat.


FS: Absolut, ja. Und, ja, wie gesagt, ich find das auch super, wenn eben nicht alles so nach Schema F abgelaufen ist. Und dann nicht nur durch die Herkunft, sondern eben auch vielleicht so durch den Gärverlauf usw. ergeben sich dann auch wieder Unterschiede von Tank zu Tank, und von Fass zu Fass, so dass man dann am Ende, ja, sagen wir mal, 40 verschiedene Rieslingtypen im Keller hat, und sich da ja auch ganz andere Möglichkeiten ergeben, die lagenweise wieder zusammenzuführen, als eben in dem Fall, wo eben, sag ich mal, einer wie der andere schmeckt. Einfach gesagt.


TS: Was ja auch der Reiz ist, dass man mit einem relativ überschaubaren Portfolio an Lagen eine ziemlich große Varianz hinbekommt.


FS: Genau. Das ist natürlich schon ein großer Vorteil, mein Vater hat es ja eben schon gesagt, wenn man fünf Fässer von einer Lage hat, was theoretisch, sagen wir mal, alles ein Großes Gewächs werden kann, hat man natürlich die Möglichkeit zu sagen, OK, entweder sie kommen alle fünf so, wie sie sind zusammen, und das passt alles super. Oder man merkt, OK, das fünfte Fass lass ich vielleicht ganz raus, oder von dem kommt nur ein Viertel rein, oder irgendwie so. Da gibt es unzählige Möglichkeiten. Das ist schon, ja, für uns ein ganz wichtiger Moment, diese Entscheidung, wie wird da letzendlich…, wie kommt es wieder zusammen. Was wird Halenberg, was wird Halgans, was wird vielleicht sogar Mineral. Da gibt es, wie gesagt, unendlich viele Möglichkeiten, und das ist schon extrem spannend zu sehen, was da manchmal drei Prozent von einem Fass mehr oder weniger ausmachen.


TS: Dein Vater sprach ja eben von Kindern. Und man hat natürlich alle Kinder gleich lieb. Aber auf manche ist man ja manchmal vielleicht doch noch ein klein bisschen mehr stolz als auf andere.


FS: Ja.


TS: Wäre das geschäftsschädigend, wenn du sagen würdest, wo du das erste Mal gedacht hast, so, das hab ich genau so hinbekommen, wie ich es wollte.


FS: Ja, klar. Es gibt jedes Jahr Weine, wo man sagt, OK, das ist jetzt wirklich nochmal viel besser gelungen als in den letzten Jahren. Oder hin und wieder auch mal andersrum, wo man sagt, OK, ich hab alles getan, was in meiner Macht gestanden hat, aber es ist jetzt irgendwie auch mal nicht ganz so, ja. Und der Zufall ist da halt schon…, spielt da immer mit, ja, insbesondere, wenn man die Weine spontan vergärt - das ist ein Stück weit Glücksspiel. Es kommt natürlich immer ein bisschen drauf an, welche Hefeflora im Keller da unterwegs ist. Das macht auch den Unterschied, warum es im einen Weingut sehr gut funktioniert, und im anderen nicht. Und beim einen ein bisschen mehr Glücksspiel ist als bei dem anderen. Aber ich sag jetzt mal, einfach von der Ausprägung dieser typischen Spontangäraromen z.B…. ja, da gibt‘s Jahrgänge, da schmecken die spontanvergorenen Weine fast genauso, oder vielleicht ganz genauso, wie die, die mit Reinzuchthefe vergoren sind. Und in anderen Jahren ist das alles so extrem reduktiv und, ja, im ersten Moment stinkig, dass man schon erschrickt. Und das lässt sich nicht berechnen, da muss man am Ende eben auch mit beiden Ergebnissen leben können und das Beste draus machen.

Wohlsein!

Mancher wird sich nun wundern, warum hier gar so defensiv gesprochen wird, zählt das, was dort in Monzingen auf die Flasche kommt, doch zum Besten, was weltweit an Weißwein so produziert wird. Aber vielleicht liegt auch genau hier der Schlüssel dazu. Das Streben, möglichen Fehlern möglichst wenig Raum zu geben. Wir jedenfalls freuen uns auch schon auf den nächsten Jahrgang.

Sie hoffentlich auch.

Und auf die nächste Folge, wo es dann in den Rheingau gehen wird.



Das war Episode 5 von Charakter/Böden, einer Yadastar-Produktion.


Redaktion, Interviews, Fotos: Torsten Schmidt

Schnitt & Mischung: Marc Übel

Titelmusik: Oliver „Dorian Concept“ Johnson und Denis „Adlib“ Hürter.

Musik: Marc Übel, Frank Westerkamp, Denis „Adlib“ Hürter

Logo & Cover: Jonathan Gehlen

Lektorat: Carmen Hofmann

Website: Jan Niklas Jansen



Wir danken allen Winzer:innen, ihren Teams und ihren Familien - heute ganz besonders Hanne, Frank und Werner Schönleber, für ihre großzügige Zeit im Rahmen dieses Podcasts, und die Liebe zum Detail, mit der sie jeden Tag auf's Neue an die Arbeit gehen.

Wohlsein!